Liebe Homepage-Besucher,

unter dieser Rubrik – Kenjis Themen – möchte ich gern zu den verschiedensten Dingen meine Erfahrungen und Gedanken niederschreiben.
Ich möchte euch an meinen Ansichten, Ideen und Eingebungen teilhaben lassen und hoffe, dass es für euch von Interesse ist und euch vielleicht auch weiterhilft.

Themen aktuell:
Stocktechniken  –  Jōdō     Juli 2023
Tombo-Haltung      Mai 2022
Kuzushi und Atemi     Feb. 2022
Tsurigoshi      Jan. 2022
Stock – Basis   März 2021
Handhaltung bei der Tombo-Bewegung   Feb. 2021
Gehen   Jan. 2021
Ukashi-waza    Mai 2020
Mugen no furi – unendl. Achtbewegung   Mai 2020

Stocktechniken  –  Jōdō

Seit über einem Jahr beschäftige ich mich intensiv mit Jōdō – Stocktechniken. Dafür lese ich immer wieder in dem Buch von Takaji Shimizu mit dem Titel  Jōdō kyohon, das er vor über 80 Jahren geschrieben hat.
Die Techniken, die er in dem Buch beschreibt, basieren auf Shindō Musōryū Jōjitsu –Stocktechniken, die dessen Gründer  Musō Gonnosuke Katsuyoshi  Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelt hat.

Musō Gonnosuke hat lange verschiedene Kenjutsu- und Bojutsu-Techniken (Schwert- und Stockkünste) geübt. Nach bestandenen Prüfungen reiste er als Schwertkämpfer durch Japan und absolvierte siegreich viele Kämpfe. Er hat auch gegen Musashi gekämpft, aber den Kampf verloren. Daraufhin hat er sich zurückgezogen und meditiert. Ein Traum hat ihn dazu angeregt, nicht mit dem Schwert sondern mit einer anderen Waffe zu kämpfen, einem „runden Stock“ und damit den Solarplexus des Gegners zu kontrollieren. Er entwickelte Shindō Musōryū Jōjitsu mit sehr vielen verschiedenen, komplizierten Techniken, es gibt dreiundsiebzig Katas.
In seinem Buch über Jōdō reduzierte Takashi Shimizu die vielen Techniken auf fünfzehn Basis-Katas (Kata = festgelegte Bewegungsabfolge) und sieben verschiedene Ausgangspositionen.
Bei einem Kampf mit einem Stock gegen ein Schwert kann der Stock aber schnell beschädigt werden. Shimizu wollte aber, dass weder dem Partner Schmerzen oder Verletzungen zugefügt werden, noch dass der Stock demoliert wird. Er wollte die Techniken so gestalten, dass weder Mensch noch Stock Blessuren davon tragen. Er wollte den Partner nur „zurechtweisen“. Diese Auffassung vom Kämpfen finde ich sehr interessant und gut.

Schlagtechnik mit dem Stock

Mir ist aufgefallen, dass die Tombo-Haltung beim Tategiuchi-schlagen (Schlagen gegen einen senkrechten Stamm) der Haltung beim Stockschlagen ähnelt:
Bei der Tombo-Haltung liegt der linke Unterarm dicht am Unterkörper an, die rechte Hand geht in die Nähe des Ohrs und der Ellenbogen steht winklig ab. Dadurch weitet und hebt sich die Brust, die Wirbelsäule streckt sich und die Atmung wird tief. Aber im Unterschied zum Schwert werden beim Stock beide Seiten gleich geübt. Für den Körper ist das gesünder, da nicht nur eine Seite belastet wird, wodurch Verspannungen und Schmerzen entstehen können. Der Körper kommt eher ins Gleichgewicht und es wird eine aufrechte Haltung geübt.

Stockschlagen beinhaltet Hon-te und Gyaku-te:

Hon-te – Handhaltung:  Hon-te  bedeutet, dass beide Hände dicht am Stock anliegen, bzw. der Kleine Finger beider Hände umfasst fest den Stock (wie auch beim Schwert). Die Winkel zwischen Zeigefinger und Daumen von beiden Händen weisen in die gleiche Richtung. Beide Ellenbogen zeigen nach unten und beide Handgelenke sind nach innen gebogen.

Gyaku-te – Handhaltung:  Bei Gyaku-te ist die obere Hand so „gedreht“, dass der Daumen nach unten zeigt. Dabei hält die Hand nur losen Kontakt zum Stock, der Kleine Finger fasst nicht fest zu. Die Finger sind „geöffnet“ und beim eher wurfartigen Schlag führt die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger den Stock nach unten. Würde man den Stock fest umfassen, dann würde der Ellbogen seitlich abstehen und der Arm seine Lockerheit verlieren. Auch bei dieser Handhaltung zeigen die Winkel zwischen Daumen und Zeigefinger von beiden Händen in die gleiche Richtung, nach vorne. Dadurch ist das obere Handgelenk nach oben gewölbt, das untere, wie vorher, nach innen gewölbt.
Diese beiden Handhaltungsformen sind für ein effektives Stockschlagen sehr wichtig und finden sich auch in den Taido-Techniken wieder (zum Beispiel bei Shihonage)
Beim Schlagen, sowohl bei der Hon-te- und auch bei Gyaku-te-Haltung geht beim Heben des Stocks die obere Hand seitlich gestreckt nach oben. Beim Schlag gehen dann beide Hände vor den Körper, vor die Körperachse.

Die untere Hand (Hon-te) ist beim Schlagen immer dicht am Körper und der Ellbogen zeigt nach unten. Außerdem wird sie nach außen „gedreht“ (s. Abb. Hon-te). Diese Drehung, die beim Schwertschlagen nicht vorhanden ist, ist ganz wichtig. Dadurch, dass die obere Hand nur locker hält, kann sich der Stock um seine Achse drehen. Der Stock, bzw. das Schwert des Partners werden durch die Drehung „verschoben“ und dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht  (kuzushi). (Das ist beim Schwert anders, dort ist die Haltung beider Hände mehr gestreckt.)
Durch diese Art des Schlagens bleiben Arme und Schultern entspannt und die Kraft und Ki-Energie können vom Tanden aus über den Stock durch die Stockspitze nach außen fließen.
Aber nicht nur die oben beschriebene Körper- und Handhaltung ist bei der Ausführung von Techniken von Bedeutung, ebenso entscheidend ist der Stand und die Bewegung der Füße (Vorgehen, Zurückziehen des Fußes usw.). Bei richtigem Stand und korrekter Bewegung entsteht eine gerade Körperachse mit tiefem Körperschwerpunkt. Bei den Füßen soll der Schwerpunkt auf dem Sokushin-Punkt beim Großen Zehballen liegen.

Es gibt viele Stocktechniken, aber allen ist gemeinsam, dass sie Ukashi und Kuzushi beinhalten müssen, um wirksam zu sein und den Partner unter Kontrolle halten zu können. Dann ist es nicht nötig, sein Gegenüber, seinen Angreifer, zu verletzen. Dann kann man ihn kontrollieren und „zurechtweisen“  –  wie Takashi Shimizu  in seinem beschrieben.

Jō no kamae  – Ausgangspositionen bei den Stocktechniken

Es gibt verschiedene Ausgangspositionen. Aber vor und nach einer Stock-Kata mit unterschiedlichen Ausgangspositionen nimmt man immer die  Kamae-Jō– Haltung  ein.
Diese Haltung hat die gleiche Wirkung wie die Kumbahaka-Taisei-Haltung von Tempu Nakamura (Erläuterungen dazu siehe: http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen/teil-3-kenjis-themen.php  und  http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen/teil-1-kenjis-themen.php). Laut Tempu Nakamura wird der Körper von „Geist-Seele“ beeinflusst und um eine gute Verbindung zwischen Körper und Geist herzustellen und positiv auf den Körper einzuwirken, ist es notwendig, den Aftermuskel zu schließen und die Schultern locker zu halten. Dadurch entsteht Kraft im Unterbauch und Körper und Geist können leichter vereint werden. Tempu Nakamura hat Kumbakaka Taisei in seinen Kokyu Soren- Übungen eingefügt, ebenso in seinen Sekkyokuteki Taiso – und Toitsushiki-Undoho Übungen. Das sind nicht nur gymnastische Übungen. Wichtig bei diesen Übungen ist, dass sie mit positiven (philosophischen) Gedanken und Gefühlen durchgeführt werden. Zum Beispiel: „Ich bin jetzt eins mit dem Universum“ oder „Die positive Energie des Universums fließt in mir.“

In die Reihe dieser Übungen ist auch Yōdōho (das Becken in Schwingung versetzen) einzuordnen. Dabei werden im Seiza-Sitz oder im Liegen mit dem Becken in kleine Kreisbewegungen ausgeführt, oder der Körper wird durch kleine auf und ab Bewegungen in der Sonkyo-Hocke in Schwingungen versetzt, oder im Stehen wird durch das Heben und Senken der Fersen der Körper zum vibrieren gebracht. Durch diese Bewegungen soll erreicht werden, dass der Schwerpunkt nach unten sinkt und die Mittelachse klar wird. Gleichzeitig ist dabei spürbar, wo der Körper verspannt oder schief ist.

Bei Tempu Nakamuras Kumbahaka Taisei-Haltung, wie auch bei der  Kamae-Jō– Haltung  stehen die Füße V-förmig und der Schwerpunkt liegt vorne beim Sokushin-Punkt. Wenn der Schwerpunkt z. B. auf den Fersen oder der Fußaußenkante verlagert ist, können im Körper Probleme entstehen, wie O-Beine oder Hallux Valgus.
Der Rücken soll gerade gehalten werden. Vor allem soll die Wirbelsäule im Beckenbereich senkrecht sein, kein Hohlkreuz aufweisen und nicht nach außen gewölbt sein. Die Schultern sind locker und der Schwerpunkt liegt tief. Dadurch ist der Aftermuskel automatisch geschlossen.
Diese Haltungsprinzipien werden so auch beim Sotaiho beschrieben und sie entsprechen auch den Erklärungen von Musashi.

Kamae-Jō-Stellung entspricht der Kumbahaka-Taisei-Haltung. Darum ist sie für mich wichtig und ich möchte sie beim Stocktraining und auch beim Taido mit in das Training einbringen, ebenso wie auch meine Erfahrungen vom „Eisenstange-“ und Tategi-uchi-Schlagen. Ich möchte somit meinen eigenen Stil verfolgen, bzw. meine eigene Richtung gehen.

Kenji Hayashi   Juli 2023

Tombo-Haltung

Bei einem Schlag, von rechts oder links gegen den Tategiuchi, einen senkrechten Holzstamm, wird die Tombo-Haltung eingenommen. Traditionell wurde bei diesem Schlagtraining am Morgen dreitausend Mal und abends achttausend Mal gegen den Stamm geschlagen. So viel habe ich aber nicht geübt. Aber ich habe täglich zwei- bis dreitausend Mal, manchmal auch fünftausend Mal gegen den Stamm geschlagen.
Wenn man die Schlagübung falsch ausführt, kann das für den Körper sehr negative Auswirkungen haben. Darum bin ich nach Japan gefahren und habe mich in dieser Schlagtechnik unterweisen lassen. Je besser ich wurde, desto mehr Schläge konnte ich während eines Atemzuges ausführen, zehn bis zwanzig Schläge pro Ausatmung. Dabei muss die Bewegung sehr schnell und flüssig erfolgen. Dadurch ergibt sich eine spiralförmige Achtbewegung, die der Möbiusschleife ähnelt. Diese spiralige Bewegung fand ich sehr effektiv und habe sie darum auf meine Taido-Techniken (ohne Waffe) übertragen und in die Techniken integriert. Um aber eine Technik mit dieser spiralförmigen Bewegung auszuführen, ist die Tombo-Haltung, wie sie beim Schwertschlagen eingenommen wird, Voraussetzung. Darum möchte ich das jetzt ausführlich erklären:

Bei der Tombo-Haltung stehen die Füße in einem leichten Winkel auseinander. Und wenn das Schwert auf der rechten Seite hochgehoben wird, steht das linke Bein ca. ½ Fuß vorne. (Der rechte Fuß steht vorne, wenn das Schwert links hochgehoben wird.) Dabei ist darauf zu achten, dass die Körperfront genau nach vorne zeigt, also sich die Hüfte nicht zur Seite dreht. Somit ist die Körperachse senkrecht nach vorne ausgerichtet, nicht schräg zur Seite!

Bei der üblichen Handhaltung beim Schwert ist die rechte Hand vorne am Griff. Bei der Tombo-Bewegung wird jetzt diese rechte Hand in Höhe und Nähe des rechten Ohrs geführt und dabei so gedreht, dass die scharfe Seite der Klinge nach außen zeigt, also nach rechts. Durch die Drehung nach rechts, gleich zu Beginn der Hebebewegung entsteht eine Spirale.

Bei der üblichen Handhaltung beim Schwert ist die rechte Hand vorne am Griff. Bei der Tombo-Bewegung wird jetzt diese rechte Hand in Höhe und Nähe des rechten Ohrs geführt und dabei so gedreht, dass die scharfe Seite der Klinge nach außen zeigt, also nach rechts. Durch die Drehung nach rechts, gleich zu Beginn der Hebebewegung entsteht eine Spirale.

Der Kleine Finger und der Daumen umfassen fest den Schwertgriff. Der Zeigefinger aber bleibt locker. Der Ellenbogen zeigt winklig nach außen (wie der Flügel einer Libelle, japanisch = Tombo). Wichtig: die Hüfte zeigt nach vorne. Es ist also keine übliche „Hidari-hanmi-Stellung“, auch wenn der linke Fuß etwas vorne steht.
Aus dieser Position heraus schlägt man – leicht schräg – gegen den Stamm und führt dann das Schwert senkrecht nach unten. Die Schwertklinge bleibt in der leicht schrägen Position und gleitet, fest am Stamm anliegend, nach unten. Nach ausgiebigem Üben kann der Holzstamm dann leicht verbrannt riechen. Um das zu erreichen ist ein gutes „Shibori“ (festes Umfassen des Schwertgriffs) notwendig und die Bewegung des Schwertes muss stark und schnell sein. Aber es soll nicht mit Muskelkraft zugeschlagen werden. Wenn man falsch schlägt, kann das Schwert, bzw. der Stock leicht brechen.

Während des gesamten Schlags muss der linke Ellenbogen / Unterarm dicht am Körper gehalten werden, so dass er Kontakt zum Rumpf hat. Dadurch ist der linke Arm auch nicht durchgestreckt. (Der japanische Begriff dafür ist „Sahi-setsudan“.) Diese Ellenbogenhaltung ist ausschlaggebend für eine richtige Tombo-Bewegung.
Hier ein Link zu einem Video mit der Tombo-Schlagtechnik: http://www.taido-hannover.de/pages/tombo-haltung.php

Der Mönch Zenkichi Oshō, ein großer Meister des Tenshinsho Jigenryu, hat für seine Schüler folgende Lehrsätze (Geheimlehre) geschrieben:

Bewege  NIEMALS  deinen linken Ellenbogen.
Wenn du diese (Geheim-)Regel beim Schlagen befolgst, dann kann keiner nachvollziehen, warum deine Schwertschläge so sehr schnell sind.
Starte deine Schlagbewegung (nach unten) nicht mit der linken Hand (als Führungshand).
Sondern die rechte Hand muss mit dem Schlag (nach unten) beginnen (und die Führung übernehmen). Die linke Hand folgt dann der rechten Hand.

Nach Beendigung des Schwerschlags wird die Hand mit dem Schwert gedreht, so dass die Klinge wieder nach rechts außen zeigt. Die rechte Hand ist dabei oben. Der Begriff für diese Drehbewegung lautet im Japanischen „Sute-Tombo“.
Das Schwert wird dabei waagrecht, aber leicht schräg vor dem Körper gehalten, so dass die Schwertspitze in einer Linie vor der linken Hüfte ist. Dadurch ergibt sich automatisch, dass beide Ellenbogen am Rumpf anliegen („Waki o shimeru“) und es entsteht eine kraftvolle Spannung im Unterbauch. Anschließend beginnt wieder die Hebebewegung des Schwertes. Wird dieser Bewegungsablauf flüssig ausgeführt, entsteht die spiralige Acht-Bewegung.

Wenn man auf den Tategi zugeht ist es noch sehr wichtig, sich nicht vom Boden abzudrücken, bzw. man soll dem Boden nicht „einen Tritt versetzen“ (s. auch Text „Tsurigoshi“.)

Kenji Hayashi,  Mai 2022

Kuzushi und Atemi

Bei der Durchführung einer Technik gibt es am Anfang einen Punkt (Zeitpunkt), an dem Kuzushi (s. Text in „Kenjis Themen“ Teil 4, http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen/teil-4-kenjis-themen.php ) und Atemi (Schlagtechnik) zugleich angewendet werden. Von diesem Punkt ausgehend entsteht eine kreisförmige, spiralige Linie (Bewegungslinie), an die sich dann eine Technik, wie zum Beispiel Shihonage, Kotegaeshi anschließt. Dieses „Technik-Bild“ von einem Punkt, verbunden mit einer kreisförmigen Linie, möchte ich hier näher erläutern.

Mit Kuzushi soll die Angriffskraft eines Angreifers in eine andere Richtung gelenkt und abgeschwächt werden. Wenn die Angriffskraft nach oben gelenkt wird, nenne ich das beim Taido „Ukashi“ (s. Text in Kenjis Themen, http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen.php ). Wird die Kraft nach unten, bzw. schräg zur Seite nach unten gelenkt, nenne ich es weiterhin Kuzushi. Durch Kuzushi wird der Angreifer aus dem Gleichgewicht gebracht. Das bedeutet, dass der Körpermittelpunkt und Körperschwerpunkt nicht mehr in einem Punkt zusammenfallen. Aber wie kann ich das erreichen? Dieses Problem ist bei Schwert-, Stock- und Handtechniken gleich. Wenn der Angreifer nicht wirkungsvoll aus dem Gleichgewicht gebracht wird, hat er eine gute Möglichkeit seinen Körper wieder zurück in Balance zu bringen und weiter anzugreifen. Wenn man einen Angreifer aber exakt aus dem Gleichgewicht bringt, ergibt sich außerdem zwangsläufig daraus eine Atemi-Position.

Das möchte jetzt genauer erklären: Atemi entsteht wie der Schatten bei Sonnenschein. Wenn Sonnenstrahlen auf einen Gegenstand fallen, entsteht gleichzeitig ein Schattenwurf. So ist das auch bei Kuzushi und Atemi zu verstehen. Durch Kuzushi entsteht Atemi. Andersherum ist das aber nicht möglich. Durch Atemi (den Schatten) entsteht kein Kuzushi (fängt die Sonne nicht an zu scheinen), das heißt, der Partner wird nicht aus dem Gleichgewicht gebracht.
Natürlich wird während des Trainings Atemi nicht richtig ausgeführt, aber die Stellung, die Bereitschaft dafür sollte vorhanden sein.

Ich habe während des Trainings schon oft über Kuzushi gesprochen, besonders im Zusammenhang mit der Aufwärtsbewegung des Schwerts bei den Schlagübungen am Tategi (Tombo-Bewegung am senkrechten Holzstamm). Wenn ich die rechte Hand spiralig mit dem Schwert hoch hebe, bewegt sich automatisch die linke Hand mit. Ich habe das aber nicht beachtet und auch nicht auf Bewegungen und Techniken ohne Schwert übertragen.

Der Shinkage-ryu Schwertmeister Kamiizumi Ise-no-kami ist in Japan sehr berühmt. Seine Techniken werden bis heute noch in seiner traditionellen Form geübt. Er hat eine Schwertkata, Bewegungsabfolge entwickelt, bei der sich zwei Partner mit der „Waki-gamae“ Position gegenüber stehen, beide mit dem linken Fuß vorne.
Der Angreifer schlägt nun in einem 45°-Winkel in Richtung Schulter des Verteidigers. Der Verteidiger startet, mit geringer Verzögerung, mit der gleichen Schlagbewegung. Doch sein Schlag geht nicht zur Schulter sondern zur Hand, zum Handgelenk. Dadurch bringt er den Angreifer zur Seite hin aus dem Gleichgewicht. Der Körper wird so aus der Achslinie gedrängt. Dadurch zeigt die Schwertspitze jetzt Richtung Kehle des Angreifers und befindet sich in einer „Atemi-Position“ – der „Schatten ist entstanden“. Das Schwert des Verteidigers könnte nun zur Kehle geführt werden.
Es ist ausschlaggebend für die Wirksamkeit, dass bei der Verteidigung das Schwert zum Handgelenk geht und nicht das Schwert des Angreifers kreuzt. Denn dann würde nur das Schwert des Angreifers aus der Achslinie gehen und nicht der Körper. Der Angreifer hätte weiterhin einen festen Stand und könnte wieder angreifen.
Ein Stoß aus der Atemi-Position ist aber nicht mehr notwendig, da der Partner durch die Position des Schwertes unter Kontrolle ist, er ist besiegt. Mit dieser Technik hat Ise-no-kami sein Ziel, einen Gegner zu besiegen ohne ihn zu verletzen, erreicht. Es ist eine „friedliche Budokunst“ entstanden.
Aus dieser Technik heraus hat sich Shinkage-ryu entwickelt, ebenso die Techniken mit bloßer Hand.

Ein weiterer wichtiger Punkt für den Verteidiger ist die Art und Weise, wie er sich bei der Abwehr nach vorne bewegt: für eine effektive Abwehr ist die Tsurigoshi-Haltung notwendig und dass man sich nicht vom Boden abdrückt, bzw. man „dem Boden nicht einen Tritt versetzt“ (s. Text Tsurigoshi).

Feb. 2022,  Kenji Hayashi

Tsurigoshi    (s. auch Video Erklärungen von Basisprinzipien )

Vor ca. 450 Jahren hat der berühmte Schwertmeister (Shinkage-ryu-Schwertkunst) Kamiizumi Ise-no-kami beim Schwertschlagen eine Haltung, die er als Tsurigoshi  bezeichnete, unterrichtet.

Seiner Auffassung nach sollte es bei einem Kampf keine Sieger und Besiegten, sondern es sollte nur „Sieger“ geben. Er wollte seine Gegner nicht töten, sondern mit ihnen zusammenleben. Diese Philosophie wollte er auch in seinen Techniken ausdrücken. So entwickelte er Tachi-dori und Muto-dori. Bei diesen Techniken nimmt der Verteidiger einem Angreifer das Schwert ab und beendet damit den Kampf. Bei Tachi-dori hat der Verteidiger selber ein Schwert / Kurzschwert in der Hand, bei Muto-dori tritt er dem Angreifer mit bloßer Hand gegenüber.
Bei den Techniken legte Ise-no-kami viel Wert darauf, dass man sich beim Bewegen, Gehen, Laufen nicht vom Boden abdrückt, bzw. man „dem Boden nicht einen Tritt versetzt“. Dafür ist die Tsurigoshi-Haltung Voraussetzung.
Hideki Maeda, hat sich sehr mit Shinkageryu auseinandergesetzt und seine Erkenntnisse in einem Buch beschrieben:

Man soll sich vorstellen, dass das Kreuzbein an einem Faden hängt (wie bei einer Marionette) und hochgezogen wird (tsuri = hochziehen / goshi oder koshi = Hüfte, Becken). Dadurch geht automatisch der Bauch nach vorne/unten.
Beim Gehen sollen die Zehen,  besonders der Große Zeh, angehoben werden und die Knie leicht gebeugt sein.
Das „fest auf den Boden treten“ oder anders gesagt „sich stark vom Boden abdrücken“ wird bei Maeda so erklärt: Für Mensch und Tier ist es normal auf der Erde zu gehen, auf den Boden zu treten. Dabei liegt unser Körperschwerpunkt öfters auf den Fersen. Und wenn ich beim Gehen mit einem Fuß nach vorne gehe, hebe ich den Fuß an, führe ihn nach vorne und berühre als erstes mit der Ferse wieder den Boden. Gleichzeitig hebt sich beim hinteren Fuß die Ferse an und ich drücke mich mit den Zehen ab um vorwärts zu kommen. Dieses Abdrücken, dieser Druck auf der Erde ist gemeint bei „dem Boden einen Tritt versetzen“. Laut Ise-no-kami soll dieser Druck, dieses Abdrücken vermieden werden, da der dafür notwendige Krafteinsatz „in Konkurrenz“ zu dem Krafteinsatz in den Armen steht und dadurch die Wirksamkeit der Verteidigungstechniken abgeschwächt wird. Gleichzeitig wird ein „harmonischer Kraft-Kreislauf“ im Körper behindert oder unterbrochen.

Um diesen Druck zu vermeiden soll die Tsurigoshi-Haltung eingenommen werden und beim Gehen die Zehen, besonders der Große Zeh, angehoben werden.
Diese Art des Gehens in Verbindung mit der Tsurigoshi-Haltung  bewirkt, dass der Körper und das Schwert eine Einheit (jap. Toshin-ichi-nyo) bilden können. Sonst geht beim Schwertschlag das Schwert nach vorne und der Körper zurück, in eine andere Richtung und sie bilden nicht mehr eine Einheit.

Diese Beschreibung von Tsurigoshi habe ich in Hideki Maedas Buch gelesen und intensiv geübt. Sie hat mich überzeugt, und ich finde diese Erklärungen nicht nur für Budo und Schwerttechniken sehr wichtig, ebenso auch für den Alltag, um Körper und Geist ins Gleichgewicht zu bringen und um die Gesundheit des Körpers zu fördern.

Januar  2022, Kenji Hayashi

Stock  –   Basis   

Für mich beinhaltet der Stock zwei Bewegungen, die die Basis für alle anderen Stocktechniken sind:
Koi-Bewegung (entwickelt Anziehungskräfte)
Ai-Bewegung (entwickelt Fliehkräfte)

Der Stock an sich, ohne Bewegung, ist einfach ein lebloser Gegenstand. Aber wenn man den Stock in der Mitte fasst und kreisend, spiralig bewegt, wird er lebendig und die Stockspitze zeichnet eine liegende Acht . Und wie bei der Möbius-Schleife wird innen zu außen und außen zu innen.
Diese spiraligen Bewegungen nehmen die Angriffskraft von Stock oder Schwert des Partners auf und ziehen sie in die spiralige Schleife hinein. Wenn die Fußbewegung (Ashi-sabaki), die Handbewegung (Te-sabaki) und die Körperbewegung (Tai-sabaki) gut zusammen arbeiten, entsteht eine effektive Stock-Technik.
Die Haltung, die man dann einnimmt, beschreibt Tempu Nakamura folgendermaßen: Die Schultern sind locker, die Kraft wird nach unten in den Unterbauch gelegt, der Aftermuskel ist geschlossen.
Bei den Stocktechniken ist dazu noch wichtig: Der Solarplexus (Mizuochi) ist locker und leicht vertieft, die Kehle ist locker, so dass Luft entweichen kann und der Bauch ist nach „oben gedreht“. Die Konzentration soll auf dem Ballen vom Großen Zeh liegen (Sokushin) und auf der Mitte der Handinnenseite. Von dort besteht jeweils eine Verbindung zur Körpermitte.

März 2021,  Kenji Hayashi

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