Liebe Homepage-Besucher,
unter dieser Rubrik - Kenjis Themen - möchte ich gern zu den verschiedensten Dingen meine Gedanken niederschreiben.
Ich möchte euch an meinen Ansichten, Ideen und Eingebungen teilhaben lassen und hoffe, dass es für euch von Interesse ist und euch vielleicht auch weiterhilft.
Themen aktuell:
Tsurigoshi Aug.. 2024
Sitzhaltung bei der Meditation Juni 2024
Amatsukaze Mai 2024
Stocktechniken - Jōdō (Teil2) April 2024
Stocktechniken - Jōdō Juli 2023
Sokushin und Körperschwerpunkt Mai 2022
Tombo-Haltung Mai 2022
Kuzushi und Atemi Feb. 2022
Stock - Basis März 2021
Handhaltung bei der Tombo-Bewegung Feb. 2021
Gehen Jan. 2021
Ukashi-waza Mai 2020
Mugen no furi - unendl. Achtbewegung Mai 2020
Gedanken im Garten April 2020
Kenjis Themen - Teil 4 hier klicken
Bedeutsamkeit der tiefen Atmung April 2020
Meguri-te April 2020
Suriashi - das Gehen April 2020
Kuzushi - aus dem Gleichgewicht bringen, Jan. 2020
Budo und Atmung (Vortragstext), Aug. 2016
Schwert und Atmung, Juli 2016
Taido und Sotaiho, Juni 2015
Kotodama – Kumbahaka – Ken-no-Suburi Jan. 2015
Kenjis Themen - Teil 3 /
Kenjis Themen - Teil 2
Kenjis Themen - Teil 1 hier klicken
Tsurigoshi (s. auch Video
Erklärungen von Basisprinzipien )
(Neue überarbeitete Version vom Text „Tsurigoshi“ vom Jan. 2022)
Der berühmte Shinkageryu Schwertmeister Kamiizumi Ise-no-kami Nobutsuna hat von 1508 – 1577 in Japan gelebt (https://de.wikipedia.org/wiki/Kamiizumi_Nobutsuna).
Seiner Auffassung nach sollte es bei einem Kampf keine Sieger und Besiegten, sondern es sollte nur „Sieger“ geben. Er hatte nicht die Absicht seine Gegner zu töten, er wollte mit ihnen zusammenleben. Diese Philosophie wollte er auch in seinen Techniken verwirklichen. So entwickelte er Tachi-dori und Muto-dori. Bei Tachi-dori hat der Verteidiger selber ein Schwert / Kurzschwert in der Hand, bei Muto-dori tritt er dem Angreifer mit bloßer Hand gegenüber. Bei diesen Techniken ist das Ziel des Verteidigers dem Angreifer das Schwert abzunehmen und dabei dem Gegner keine Verletzungen zuzufügen, und so den Kampf zu beenden.
Ein weiteres elementares Thema ist eine Körperhaltung, die Kamiizumi Ise-no-kami als Tsurigoshi bezeichnet. Er beschreibt in seinen Texten die Haltung des Kopfes, der Arme und Füße und des Leibes. Tsurigoshi ist in Japan ein relativ unbekanntes Wort, dadurch ist es mir in seinen Schriften über Shinkageryu aufgefallen.
Aber seine Philosophie und Tsurigoshi war für mich nicht so einfach zu verstehen. Geholfen hat mir ein Buch von dem Universitätsprofessor für Philosophie Hideki Maeda. Er hat sich sehr mit Shinkageryu und mit dem „Buch der fünf Ringe“ von Musashi auseinandergesetzt und Tsurigoshi in seinem Buch so beschrieben:
Man soll sich vorstellen, dass das Kreuzbein an einem Faden hängt (wie bei einer Marionette) und hochgezogen wird (tsuri = hochziehen / goshi oder koshi = Hüfte, Becken). Dadurch geht automatisch der Bauch nach vorne und fällt gleichzeitig nach unten, so dass der Bauch „auf der Schwertscheide aufliegt“. Wichtig dabei ist, dass das Kreuz nicht nach hinten gekrümmt ist.
Verbunden mit dieser Haltung ist für Kamiizumi Ise-no-kami eine besondere Art zu Gehen: man soll sich beim Bewegen, Gehen oder Laufen nicht vom Boden abdrücken, bzw. man darf dem Boden nicht „einen Tritt versetzten“. Um das zu erreichen, sollen beim Gehen die Zehen, besonders der Große Zeh, nach oben angehoben werden und die Knie sollen leicht gebeugt sein.
Das „fest auf den Boden treten“ oder anders gesagt „sich stark vom Boden abdrücken“ wird bei Maeda so erklärt: Für Mensch und Tier ist es normal auf der Erde zu gehen / auf den Boden zu treten. Wenn ich beim Gehen mit einem Fuß nach vorne gehe, hebe ich den Fuß an, führe ihn nach vorne und berühre als erstes mit der Ferse wieder den Boden. Gleichzeitig hebt sich beim hinteren Fuß die Ferse an und ich drücke mich mit den Zehen ab, um den Körper vorwärts zu schieben. Dieses Abdrücken und Vorwärtsschieben des Körpers, dieser Druck auf der Erde ist gemeint bei „dem Boden einen Tritt versetzen“.
Laut Kamiizumi Ise-no-kami soll dieser Druck, dieses Abdrücken vermieden werden, da der dafür notwendige Krafteinsatz in Konkurrenz zu dem Krafteinsatz in den Armen steht. Dadurch wird die Wirksamkeit der Verteidigungstechniken abgeschwächt und gleichzeitig wird ein „harmonischer Kraft-Kreislauf“ im Körper behindert oder sogar unterbrochen.
Maeda beschreibt dieses sanfte Gehen so: Zuerst werden die Zehen angehoben, dann wird der Fuß nach vorne „geschoben“ und die Ferse aufgesetzt. Jetzt aber wird das Körpergewicht nach vorne verlagert, indem der Bauch nach vorne geschoben wird (als erstes auf die äußere Fußkante). So wird ein Abdrücken mit den Zehen vermieden. Danach folgt der nächste Schritt in der gleichen Art.
Wenn man die Zehen anhebt, entsteht eine Spannung im Unterbauch, wie beim Anheben der Hände bei Amatsukaze (s. Text unten). Dabei lockern sich die Knie (und entsprechend auch die Ellenbogen) und die Hüftgelenke (und entsprechend die Schultern). Das Kreuzbein soll dann „stehen“ und im Bauch entsteht eine natürliche Spannung. Das ist die Tsurigoshi-Haltung
Bevor Musashi das „Buch der fünf Ringe“ geschrieben hat, hat er den Text „35 Artikel zur Kampfstrategie“ verfasst. In dieser Schrift hat er ebenfalls die Körperhaltung erklärt. Er benutzt zwar nicht das Wort Tsurigoshi dafür, aber meines Erachtens beschreibt er das Gleiche:
- der Kopf soll nicht nach unten hängen und auch nicht schräg nach hinten gehalten werden
- die Schultern sollen nicht hochgezogen oder schief sein
- die Brust soll nicht zu sehr nach vorne herausgedrückt sein
- der Bauch soll sich nach vorne wölben
- die Knie sollen locker sein
- der Körper soll gerade gehalten werden
In seinem „Buch der fünf Ringe“ schreibt er außerdem noch, dass im Bauch eine natürliche Spannung sein soll und er nach unten zeigen soll. Diese Haltung soll man im Budo und auch im täglichen Leben einnehmen.
Die oben beschriebene Art des Gehens in Verbindung mit der Tsurigoshi-Haltung bewirkt, dass der Körper und das Schwert eine Einheit (jap. Toshin-ichi-nyo) bilden können. Denn wenn beim Schwertschlag das Schwert nach vorne und der Körper zurück, in eine andere Richtung geht, bilden sie nicht eine Einheit.
Dank der guten Beschreibung von Tsurigoshi, die Hideki Maeda in seinem Buch gibt, wurde mir klar, dass ich diese Haltung auch bei meinen vielen Schlagübungen mit der Eisenstange und den Schlagübungen am Tategi eingenommen hatte. Diese Haltung ist auch notwendig bei Kuzushi und Ukashi (s. Texte unten).
Durch die Tsurigoshi-Haltung und das „sanfte Gehen“ ist es leichter, nicht mit dem Partner zusammenzustoßen. Stattdessen kann man sich mit ihm zusammen bewegen. Ich denke, aus diesem Grunde konnte sich der Begriff des „friedlichen Budo“ entwickeln, mit dem Ziel, den Partner nicht zu töten oder zu verletzen, sondern mit ihm zusammen zu leben und sich mit ihm zusammen zu bewegen.
Mit den Jodo-Stocktechniken, die ich in letzter Zeit verstärkt übe, möchte ich das verwirklichen.
Diese Erklärungen sind nicht nur für Budo und Schwerttechniken sehr wichtig, ebenso auch für den Alltag, um Körper und Geist ins Gleichgewicht zu bringen und um die Gesundheit des Körpers zu fördern.
August 2024, Kenji Hayashi
Sitzhaltung bei der Meditation
Gleichzeitig mit Aikido habe ich auch mit Zazen-Meditation angefangen. Nachdem ich Zen eine Weile praktiziert hatte und ich mich an die Lotussitzhaltung gewöhnt hatte, habe ich an mehreren achttägigen Sesshins teilgenommen. Das war jedes Mal sehr sehr anstrengend. Von morgens bis zum Mittag zu „sitzen“ war gut auszuhalten. Aber danach wurde es anstrengend. Die Beine fingen an zu schmerzen, die Zeit verging nur langsam und ich wurde müde. Dazu kam noch die Beschäftigung und Konzentration auf das Koan, was ich auch als mühevoll und schwierig empfand. Am Ende des acht Tage dauernden Lehrgangs war ich erschöpft und abgekämpft. Außerdem hatte ich das deprimierende Gefühl, dass es für die anderen Teilnehmer nicht so ermüdend war wie für mich. Hatte ich nicht die Körperkonstitution dafür und war Zazen nichts für mich? Solche Fragen tauchten bei mir auf. Aber ich fand die Philosophie vom Zen und das Leben im Tempel faszinierend und interessant.
Ich habe dann an einer dreitägigen Sesshin für Laien in einem Tempel in Kamakura teilgenommen. Dort dauerte ein Meditationsabschnitt nur 30 Minuten und nicht wie vorher, bei den achttägigen Sesshins, 45 Minuten (Dort waren die Sesshins mehr für „Profis“), Eine Meditationsphase wurde, wie üblich, von Kinhin, einer „Gehmeditation“ abgelöst wurde.
In dem Tempel in Kamakura hat der Roshi vor der Meditation diesmal zuerst die richtige Sitzposition gelehrt. Das ist in dem anderen Tempel nicht der Fall gewesen. In Kamakura wurden alle Teilnehmer angewiesen sich aus der Sitzposition zuerst nach vorne zu beugen und sich dann eine Hand ins Kreuz zu legen. Beim Aufrichten sollten wir dann gut in den Körper hinein spüren und fühlen, wenn eine automatische Spannung im Unterbauch entstand, um dann mit dem Aufrichten zu stoppen. So sollte die richtige Meditationshaltung erlangt werden. Ich hatte zuerst das Gefühl, dass ich zu weit nach vorne gebeugt sei, so, als ob ich nach vorne kippen würde. Aber ich merkte bald, dass im Körper ein angenehmes Gefühl entstand.
Bei dem Sitzen jetzt verflog die Zeit ganz schnell, sie kam mir nicht mehr so endlos lang vor, wie vorher. Auch meine Beine taten mir nicht mehr weh. Bei den Sesshins vorher hatte ich immer Schmerzen. Das war diesmal nicht der Fall. Zum ersten Mal machte mir das Sitzen richtig Freude. Bisher hatte ich mich darauf konzentriert gerade zu sitzen, ganz gerade. Aber in dieser „neuen“ Haltung kam mir meine Atmung tiefer vor, obwohl ich gefühlt „schräg nach vorne“ gebeugt saß.
Und als dann der Roshi zu mir sagte, dass meine Haltung sehr gut sei, war ich sehr erstaunt und auch sehr zufrieden.
Das war für mich ein Schlüsselerlebnis, da ich bis dahin an meiner Eignung für die Zen-Meditation gezweifelt hatte.
Kenji Hayashi, Juni 2024
Amatsukaze (Aussprache „Amatzkase“)
Bei den Kiryuho-Lehrgängen, die wir früher in Hannover organisiert haben, gab es eine Übung, die Amatsukaze hieß. Aber diese Übung meine ich nicht. Ich beziehe mich auf Tempu Nakamura, dessen Name Tempu, basierend auf den Kanji-Schriftzeichen天風 auch als Amatsukaze gelesen und ausgesprochen werden kann. Die Bedeutung von Amatsukaze ist „Himmelswind“.
Tempu Nakamura hat in seiner Jugend unter anderem auch Iaijutsu gelernt. Bei dieser Iai-Richtung gab es eine Technik, die Amatsukaze hieß. Anlässlich einer Vorführung, bei der Tempu Nakamura diese Technik zeigte, meinte sein Lehrer Tōyama Mitsuru ( https://en.wikipedia.org/wiki/T%C5%8Dyama_Mitsuru), er solle sich von nun an Amatsukaze, also Tempū nennen. (Sein richtiger Vorname ist Saburō.)
Ich kenne diese Iai-Amatsukaze-Technik nicht genau. Aber bei meinen Übungen mit dem Stock ist mir aufgefallen, z.B. bei Aihanmi Ichi-no-te, dass die Hand / der Arm des Partners schwer anzuheben ist. Wenn ich aber mit der Hand die Gyaku-te-Handhaltung (s. Text unten: Jō – Stocktechniken und Stocktechniken – Jōdō) ausführte, war die Hand des Partners leichter anzuheben.
Mit dieser Handhaltung war auch die Ausführung vieler anderer Techniken leichter. Ich hatte das Gefühl, das ist Amatsukaze, da es sich für mich an wie ein „Himmelswind“ anfühlte, ein Wind, der von unten her nach ober durch den Körper nach außen fließt. Ich konnte die Bewegung im ganzen Körper spüren. Ein Wind ist nicht zu sehen, ohne Form und lautlos, aber er ist zu spüren, wie eben Amatsukaze.
Bei dieser Gyaku-te-Handhaltung und Bewegung – mit gestreckten Fingern – wird die Körperhaltung gerade, der Aftermuskel schließt sich und es entsteht Kraft im Hara, dem Körperzentrum. Und über die Mittelachse, fließt die Kraft / Ki, der „Amatsukaze-Wind“ aus dem Hara durch die Arme nach außen, bis zum Partner.
Wenn ich eine Technik mit der Hon-te-Handhaltung beginne, ist der Partner oft nicht so einfach aus dem Gleichgewicht zu bringen und die Technik ist dann nicht so einfach durchführbar.
Wenn man dieses Amatsukaze gespürt und verstanden hat, dann ist es auch einfacher, Kokyusoren, Kumbahaka und die Sekkkyoku-Taiso-Gymnastik von Tempu Nakamura, zu fühlen und zu verstehen. Zum Beispiel wird dabei bei den Stoßbewegungen der Sekkkyoku-Taiso-Gymnastik die Faust nach oben abgewinkelt. Dabei gehen automatisch die Ellenbogen und die Schulterblätter nach unten, der Arm beugt sich und der Aftermuskel schließt sich. Dadurch wird das Körperzentrum im Unterbauch stark. Das fühlt sich für mich im Körper wie Amatsukaze an.
Diese Handhaltung mit der abgewinkelten Hand habe ich auch in einem Video von einem alten Daitoryu Meister gesehen.
Diese Handhaltung (Hon-te mit gestreckten Fingern schräg nach oben), die wie oben beschrieben Körperstärke beinhaltet, ist die Basis, die Ausgangsposition für die Bewegung in die Tombo-Position.
Wenn ich mit dieser Haltung beginnend in die Gyaku-Haltung übergehe und mich dann nach oben zur Tombo-Haltung bewege, dann habe ich das Amatsukaze-Gefühl im Arm bzw. im Körper.
Diese Handhaltung, Hon-te mit gestreckten Fingern schräg nach oben, ist somit die Ausgangsposition, der Beginn von Techniken.
Kenji Hayashi, Mai 2024
Jō - Stocktechniken (Teil 2)
Wikipedia: Musō Gonnosuke Katsuyoshi war ein Samurai des frühen 17. Jahrhunderts und der traditionelle Gründer der Koryu-Schule von Jōjutsu (Stocktechniken), bekannt als Shintō Musōryū. Er ist vielleicht am bekanntesten für seine Duelle mit dem legendären Schwertkämpfer Miyamoto Musashi. (https://en.wikipedia.org/wiki/Mus%C5%8D_Gonnosuke).
Musō Gonnosuke hat die Stocktechniken entwickelt, die heute noch bekannt und geübt werden. Das war vor etwa vierhundert / vierhundertfünfzig Jahren.
Er wurde von Miyamoto Musashi in einem Duell besiegt, wollte es aber nicht auf sich beruhen lassen und später noch einmal mit ihm kämpfen. Er zog sich in die Berge, auf den heiligen Berg Kamato zurück, um zu meditierten und zu üben. Drei Wochen lang fastete und meditierte er. Am letzten Tag hatte er eine Vision, einen Traum: Er solle mit einem runden Stock den Solarplexus (des Gegners) kontrollieren. Das war der Beginn von Jōdō.
Wie lang oder dick der Stock sein sollte, war nicht gesagt. Bisher hatte Gonnosuke viele verschiedene Budokünste mit Schwert (Shintōryū-Kenjutsu), Naginata, langem Stock und anderem ausgeübt. Aus diesen Erfahrungen heraus entschied er sich für einen Stock aus Eiche, der ungefähr der Länge von ausgebreiteten Armen entsprechen sollte, so dass der Stock vom Boden bis Mitte Brusthöhe reichen würde. Außerdem sollte er glatt sein.
In Anlehnung an die verschiedenen Schwert-Katas von Shintōryū-Kenjutsu entwickelte er seine Stock-Katas. Er hat sich auch überlegt, wie er Musashis Schwertangriff mit dem Stock abwehren und besiegen Musashi könne. Sein Ziel dabei war, den Gegner nicht zu töten oder zu verletzen, sondern ihn durch Kontrolle zu besiegen. Er wollte eine friedliche Kampfkunst praktizieren.
In Japan habe ich nicht Jōdō gelernt, aber ich habe mich durch viel eigenes Üben entwickelt. Ich finde, dass diese Art einer friedlichen Budokunst in der jetzigen Zeit notwendig ist.
Techniken mit dem Stock sind sehr vielfältig, da sich die Handhaltung ändern kann
in Hon-te und Gyaku-te (Erklärungen s. auch Text unten). Ebenso kann der Abstand der Hände verändert werden. Und außerdem kann man den Stock um die eigene Achse drehen, zum Beispiel bei einem Stoß.
Wenn man sich einen Kampf mit Schwert gegen Stock vorstellt, so denkt man, dass der Stock vom Schwert zerbrochen / durchtrennt wird. Aber das ist nicht der Fall. Der Stock wird immer schräg gegen das Schwert geschlagen und durch den sich um die Achse drehenden Stock wird das Schwert abgedrängt. Dieses Prinzip des Drehens beinhalten auch viele meiner Taido-Techniken.
Hon-te Gyaku-te Kamae-jō
Eine Stock-Kata beginnt mit der Kamae-jō-Haltung und endet mit dieser Haltung.
Diese Haltung entspricht (inhaltlich) der Kumbahaka-Haltung von Tempu Nakamura und der Tombo-Haltung (s. unten). Das habe ich besonders empfunden, als ich bei Gartenarbeiten gestolpert bin und mich verletzt habe. Durch diese Haltung wurde mein durch den Sturz schief gewordener Körper wieder ins Gleichgewicht gebracht. Für mich ist diese Haltung ein wichtiger Übungspunkt.
Kenji Hayashi, April. 2024
Stocktechniken - Jōdō
Seit über einem Jahr beschäftige ich mich intensiv mit Jōdō – Stocktechniken. Dafür lese ich immer wieder in dem Buch von Takaji Shimizu mit dem Titel Jōdō kyohon, das er vor über 80 Jahren geschrieben hat.
Die Techniken, die er in dem Buch beschreibt, basieren auf Shindō Musō-ryū Jōjitsu –Stocktechniken, die dessen Gründer Musō Gonnosuke Katsuyoshi Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelt hat.
Musō Gonnosuke hat lange verschiedene Kenjutsu- und Bojutsu-Techniken (Schwert- und Stockkünste) geübt. Nach bestandenen Prüfungen reiste er als Schwertkämpfer durch Japan und absolvierte siegreich viele Kämpfe. Er hat auch gegen Musashi gekämpft, aber den Kampf verloren. Daraufhin hat er sich zurückgezogen und meditiert. Ein Traum hat ihn dazu angeregt, nicht mit dem Schwert sondern mit einer anderen Waffe zu kämpfen, einem „runden Stock“ und damit den Solarplexus des Gegners zu kontrollieren. Er entwickelte Shindō Musō-ryū Jōjitsu mit sehr vielen verschiedenen, komplizierten Techniken, es gibt dreiundsiebzig Katas.
In seinem Buch über Jōdō reduzierte Takashi Shimizu die vielen Techniken auf fünfzehn Basis-Katas (Kata = festgelegte Bewegungsabfolge) und sieben verschiedene Ausgangspositionen.
Bei einem Kampf mit einem Stock gegen ein Schwert kann der Stock aber vielleicht beschädigt werden. Shimizu wollte aber, dass weder dem Partner Schmerzen oder Verletzungen zugefügt werden, noch dass der Stock demoliert wird. Er wollte die Techniken so gestalten, dass weder Mensch noch Stock Blessuren davon tragen. Er wollte den Partner nur „zurechtweisen“. Diese Auffassung vom Kämpfen finde ich sehr interessant und gut.
Schlagtechnik mit dem Stock
Mir ist aufgefallen, dass die Tombo-Haltung beim Tategiuchi-schlagen (Schlagen gegen einen senkrechten Stamm) der Haltung beim Stockschlagen ähnelt:
Bei der Tombo-Haltung liegt der linke Unterarm dicht am Unterkörper an, die rechte Hand geht in die Nähe des Ohrs und der Ellenbogen steht winklig ab. Dadurch weitet und hebt sich die Brust, die Wirbelsäule streckt sich und die Atmung wird tief. Aber im Unterschied zum Schwert werden beim Stock beide Seiten gleich geübt. Für den Körper ist das gesünder, da nicht nur eine Seite belastet wird, wodurch Verspannungen und Schmerzen entstehen können. Der Körper kommt eher ins Gleichgewicht und es wird eine aufrechte Haltung geübt.
Stockschlagen beinhaltet Hon-te und Gyaku-te:
Hon-te - Handhaltung: Hon-te bedeutet, dass beide Hände dicht am Stock anliegen, bzw. der Kleine Finger beider Hände umfasst fest den Stock (wie auch beim Schwert). Die Winkel zwischen Zeigefinger und Daumen von beiden Händen weisen in die gleiche Richtung. Beide Ellenbogen zeigen nach unten und beide Handgelenke sind nach innen gebogen.
Gyaku-te - Handhaltung: Bei Gyaku-te ist die obere Hand so „gedreht“, dass der Daumen nach unten zeigt. Dabei hält die Hand nur losen Kontakt zum Stock, der Kleine Finger fasst nicht fest zu. Die Finger sind „geöffnet“ und beim eher wurfartigen Schlag führt die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger den Stock nach unten. Würde man den Stock fest umfassen, dann würde der Ellbogen seitlich abstehen und der Arm seine Lockerheit verlieren. Auch bei dieser Handhaltung zeigen die Winkel zwischen Daumen und Zeigefinger von beiden Händen in die gleiche Richtung, nach vorne. Dadurch ist das obere Handgelenk nach oben gewölbt, das untere, wie vorher, nach innen gewölbt.
Diese beiden Handhaltungsformen sind für ein effektives Stockschlagen sehr wichtig und finden sich auch in den Taido-Techniken wieder (zum Beispiel bei Shihonage)
Beim Schlagen, sowohl bei der Hon-te- und auch bei Gyaku-te-Haltung geht beim Heben des Stocks die obere Hand seitlich gestreckt nach oben. Beim Schlag gehen dann beide Hände vor den Körper, vor die Körperachse.
Die untere Hand (Hon-te) ist beim Schlagen immer dicht am Körper und der Ellbogen zeigt nach unten. Außerdem wird sie nach außen „gedreht“ (s. Abb. Hon-te). Diese Drehung, die beim Schwertschlagen nicht vorhanden ist, ist ganz wichtig. Dadurch, dass die obere Hand nur locker hält, kann sich der Stock um seine Achse drehen. Der Stock, bzw. das Schwert des Partners werden durch die Drehung „verschoben“ und dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht (kuzushi). (Das ist beim Schwert anders, dort ist die Haltung beider Hände mehr gestreckt.)
Durch diese Art des Schlagens bleiben Arme und Schultern entspannt und die Kraft und Ki-Energie können vom Tanden aus über den Stock durch die Stockspitze nach außen fließen.
Aber nicht nur die oben beschriebene Körper- und Handhaltung ist bei der Ausführung von Techniken von Bedeutung, ebenso entscheidend ist der Stand und die Bewegung der Füße (Vorgehen, Zurückziehen des Fußes usw.). Bei richtigem Stand und korrekter Bewegung entsteht eine gerade Körperachse mit tiefem Körperschwerpunkt. Bei den Füßen soll der Schwerpunkt auf dem Sokushin-Punkt beim Großen Zehballen liegen.
Es gibt viele Stocktechniken, aber allen ist gemeinsam, dass sie Ukashi und Kuzushi beinhalten müssen, um wirksam zu sein und den Partner unter Kontrolle halten zu können. Dann ist es nicht nötig, sein Gegenüber, seinen Angreifer, zu verletzen. Dann kann man ihn kontrollieren und „zurechtweisen“ - wie Takashi Shimizu in seinem beschrieben.
Jō no kamae - Ausgangspositionen bei den Stocktechniken
Es gibt verschiedene Ausgangspositionen. Aber vor und nach einer Stock-Kata mit unterschiedlichen Ausgangspositionen nimmt man immer die Kamae-Jō- Haltung ein.
Diese Haltung hat die gleiche Wirkung wie die Kumbahaka-Taisei-Haltung von Tempu Nakamura (Erläuterungen dazu siehe: http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen/teil-3-kenjis-themen.php und http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen/teil-1-kenjis-themen.php). Laut Tempu Nakamura wird der Körper von „Geist-Seele“ beeinflusst und um eine gute Verbindung zwischen Körper und Geist herzustellen und positiv auf den Körper einzuwirken, ist es notwendig, den Aftermuskel zu schließen und die Schultern locker zu halten. Dadurch entsteht Kraft im Unterbauch und Körper und Geist können leichter vereint werden. Tempu Nakamura hat Kumbakaka Taisei in seinen Kokyu Soren- Übungen eingefügt, ebenso in seinen Sekkyokuteki Taiso - und Toitsushiki-Undoho Übungen. Das sind nicht nur gymnastische Übungen. Wichtig bei diesen Übungen ist, dass sie mit positiven (philosophischen) Gedanken und Gefühlen durchgeführt werden. Zum Beispiel: „Ich bin jetzt eins mit dem Universum“ oder „Die positive Energie des Universums fließt in mir.“
In die Reihe dieser Übungen ist auch Yōdōho (das Becken in Schwingung versetzen) einzuordnen. Dabei werden im Seiza-Sitz oder im Liegen mit dem Becken in kleine Kreisbewegungen ausgeführt, oder der Körper wird durch kleine auf und ab Bewegungen in der Sonkyo-Hocke in Schwingungen versetzt, oder im Stehen wird durch das Heben und Senken der Fersen der Körper zum vibrieren gebracht. Durch diese Bewegungen soll erreicht werden, dass der Schwerpunkt nach unten sinkt und die Mittelachse klar wird. Gleichzeitig ist dabei spürbar, wo der Körper verspannt oder schief ist.
Bei Tempu Nakamuras Kumbahaka Taisei-Haltung, wie auch bei der Kamae-Jō- Haltung stehen die Füße V-förmig und der Schwerpunkt liegt vorne beim Sokushin-Punkt. Wenn der Schwerpunkt z. B. auf den Fersen oder der Fußaußenkante verlagert ist, können im Körper Probleme entstehen, wie O-Beine oder Hallux Valgus.
Der Rücken soll gerade gehalten werden. Vor allem soll die Wirbelsäule im Beckenbereich senkrecht sein, kein Hohlkreuz aufweisen und nicht nach außen gewölbt sein. Die Schultern sind locker und der Schwerpunkt liegt tief. Dadurch ist der Aftermuskel automatisch geschlossen.
Diese Haltungsprinzipien werden so auch beim Sotaiho beschrieben und sie entsprechen auch den Erklärungen von Musashi.
Kamae-Jō-Stellung entspricht der Kumbahaka-Taisei-Haltung. Darum ist sie für mich wichtig und ich möchte sie beim Stocktraining und auch beim Taido mit in das Training einbringen, ebenso wie auch meine Erfahrungen vom „Eisenstange-“ und Tategi-uchi-Schlagen. Ich möchte somit meinen eigenen Stil verfolgen, bzw. meine eigene Richtung gehen.
Kenji Hayashi Juli 2023
Sokushin und Körperschwerpunkt
Das Körpergewicht sollte an der Innenseite vom Großen Zeh-Ballen
liegen. Dieser Punkt, auf dem das Körpergewicht liegt, wird im
Japanischen als Sokushin (= Fußmittelpunkt) bezeichnet.
Liegt der Schwerpunkt nicht auf diesem Punkt, dann ist die Körper-
haltung nicht korrekt, und der Körper ist schief.
Oft liegt der Schwerpunkt bei den Fersen oder zu weit vorne bei den Zehenspitzen oder bei der äußeren Fußkannte oder Innenfußkante.
Wenn der Schwerpunkt bei den Fersen liegt, dann fühlt sich der Körper sehr schwer und unbeweglich an und man fühlt sich träge. Liegt der Schwerpunkt zu weit vorne, dann sind die Bewegungen schnell und hastig und man fühlt sich gehetzt. (Körper und Geist hängen immer zusammen.)
Diesen Beschreibungen aus dem Sotaiho kann ich aus eigener Erfahrung zustimmen. Unser Energie- (Ki-) punkt und unser Körpermittelpunkt liegen beide zusammen im Unterbauch, im Tandenpunkt. Dieser Punkt liegt ca. 3 cm unterhalb des Bauchnabels in der Mitte des Beckens. Um diesen Punkt zu spüren, ist es nicht hilfreich, den Bauch anzuspannen oder nach vorne zu strecken. Dadurch entstehen nur Verspannungen im Körper, denn die Körpermitte können wir nicht bewusst anspannen.
Es ist gar nicht so schwierig, diesen Punkt zu fühlen. Sehr viel schwieriger ist es, die Verbindung zwischen Tanden- und Sokushin-Punkt zu spüren. Wenn der Körperschwerpunkt auf dem Sokushin-Punkt liegt, dann sind der Tandenpunkt und auch die Verbindungslinie zum Sokushin besser erfühlbar.
Wenn man während einer solchen Haltung Atemübungen durchführt, dann ist es leichter, sich auf den Aftermuskel zu konzentrieren und ihn zu schließen (s. Text Kumbahaka, Teil 4 - Aftermuskel schließen, vom März 2010 in Kenjis Themen, Teil 1, http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen/teil-1-kenjis-themen.php ).
Diese beschriebene Haltung beim Stehen und Gehen entspricht der Haltung, wie ich sie auch bei “Tsurigoshi“ beschrieben habe und führt auch dazu, keinen „Druck auf den Boden“ auszuüben.
Ich vermute auch, dass durch eine solche Haltung vielleicht Probleme wie O- oder X-Beine und Hallux-Beschwerden gemildert werden können. Aber das möchte ich noch weiter beobachten.
Kenji Hayashi, Juli 2022
Tombo-Haltung
Bei einem Schlag, von rechts oder links gegen den Tategiuchi, einen senkrechten Holzstamm, wird die Tombo-Haltung eingenommen. Traditionell wurde bei diesem Schlagtraining am Morgen dreitausend Mal und abends achttausend Mal gegen den Stamm geschlagen. So viel habe ich aber nicht geübt. Aber ich habe täglich zwei- bis dreitausend Mal, manchmal auch fünftausend Mal gegen den Stamm geschlagen.
Wenn man die Schlagübung falsch ausführt, kann das für den Körper sehr negative Auswirkungen haben. Darum bin ich nach Japan gefahren und habe mich in dieser Schlagtechnik unterweisen lassen. Je besser ich wurde, desto mehr Schläge konnte ich während eines Atemzuges ausführen, zehn bis zwanzig Schläge pro Ausatmung. Dabei muss die Bewegung sehr schnell und flüssig erfolgen. Dadurch ergibt sich eine spiralförmige Achtbewegung, die der Möbiusschleife ähnelt. Diese spiralige Bewegung fand ich sehr effektiv und habe sie darum auf meine Taido-Techniken (ohne Waffe) übertragen und in die Techniken integriert. Um aber eine Technik mit dieser spiralförmigen Bewegung auszuführen, ist die Tombo-Haltung, wie sie beim Schwertschlagen eingenommen wird, Voraussetzung. Darum möchte ich das jetzt ausführlich erklären:
Bei der Tombo-Haltung stehen die Füße in einem leichten Winkel auseinander. Und wenn das Schwert auf der rechten Seite hochgehoben wird, steht das linke Bein ca. ½ Fuß vorne. (Der rechte Fuß steht vorne, wenn das Schwert links hochgehoben wird.) Dabei ist darauf zu achten, dass die Körperfront genau nach vorne zeigt, also sich die Hüfte nicht zur Seite dreht. Somit ist die Körperachse senkrecht nach vorne ausgerichtet, nicht schräg zur Seite!
Bei der üblichen Handhaltung beim Schwert ist die rechte Hand vorne am Griff. Bei der Tombo-Bewegung wird jetzt diese rechte Hand in Höhe und Nähe des rechten Ohrs geführt und dabei so gedreht, dass die scharfe Seite der Klinge nach außen zeigt, also nach rechts. Durch die Drehung nach rechts, gleich zu Beginn der Hebebewegung entsteht eine Spirale.
Der Kleine Finger und der Daumen umfassen fest den Schwertgriff. Der Zeigefinger aber bleibt locker. Der Ellenbogen zeigt winklig nach außen (wie der Flügel einer Libelle, japanisch = Tombo). Wichtig: die Hüfte zeigt nach vorne. Es ist also keine übliche „Hidari-hanmi-Stellung“, auch wenn der linke Fuß etwas vorne steht.
Aus dieser Position heraus schlägt man – leicht schräg – gegen den Stamm und führt dann das Schwert senkrecht nach unten. Die Schwertklinge bleibt in der leicht schrägen Position und gleitet, fest am Stamm anliegend, nach unten. Nach ausgiebigem Üben kann der Holzstamm dann leicht verbrannt riechen. Um das zu erreichen ist ein gutes „Shibori“ (festes Umfassen des Schwertgriffs) notwendig und die Bewegung des Schwertes muss stark und schnell sein. Aber es soll nicht mit Muskelkraft zugeschlagen werden. Wenn man falsch schlägt, kann das Schwert, bzw. der Stock leicht brechen.
Während des gesamten Schlags muss der linke Ellenbogen / Unterarm dicht am Körper gehalten werden, so dass er Kontakt zum Rumpf hat. Dadurch ist der linke Arm auch nicht durchgestreckt. (Der japanische Begriff dafür ist „Sahi-setsudan“.) Diese Ellenbogenhaltung ist ausschlaggebend für eine richtige Tombo-Bewegung.
Hier ein Link zu einem Video mit der Tombo-Schlagtechnik:
http://www.taido-hannover.de/pages/tombo-haltung.php
Der Mönch Zenkichi Oshō, ein großer Meister des Tenshinsho Jigenryu, hat für seine Schüler folgende Lehrsätze (Geheimlehre) geschrieben:
Bewege NIEMALS deinen linken Ellenbogen.
Wenn du diese (Geheim-)Regel beim Schlagen befolgst, dann kann keiner nachvollziehen, warum deine Schwertschläge so sehr schnell sind.
Starte deine Schlagbewegung (nach unten) nicht mit der linken Hand (als Führungshand).
Sondern die rechte Hand muss mit dem Schlag (nach unten) beginnen (und die Führung übernehmen). Die linke Hand folgt dann der rechten Hand.
(Den in Klammern hinzugefügten Text gibt es nicht im Original. Ich habe ihn hinzugefügt, um euch den Inhalt verständlicher zu machen.)
Nach Beendigung des Schwerschlags wird die Hand mit dem Schwert gedreht, so dass die Klinge wieder nach rechts außen zeigt. Die rechte Hand ist dabei oben. Der Begriff für diese Drehbewegung lautet im Japanischen „Sute-Tombo“.
Das Schwert wird dabei waagrecht, aber leicht schräg vor dem Körper gehalten, so dass die Schwertspitze in einer Linie vor der linken Hüfte ist. Dadurch ergibt sich automatisch, dass beide Ellenbogen am Rumpf anliegen („Waki o shimeru“) und es entsteht eine kraftvolle Spannung im Unterbauch. Anschließend beginnt wieder die Hebebewegung des Schwertes. Wird dieser Bewegungsablauf flüssig ausgeführt, entsteht die spiralige Acht-Bewegung.
Wenn man auf den Tategi zugeht ist es noch sehr wichtig, sich nicht vom Boden abzudrücken, bzw. man soll dem Boden nicht „einen Tritt versetzen“ (s. auch Text „Tsurigoshi“.)
Kenji Hayashi, Mai 2022
Kuzushi und Atemi
Bei der Durchführung einer Technik gibt es am Anfang einen Punkt (Zeitpunkt), an dem Kuzushi (s. Text in „Kenjis Themen“ Teil 4, http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen/teil-4-kenjis-themen.php ) und Atemi (Schlagtechnik) zugleich angewendet werden. Von diesem Punkt ausgehend entsteht eine kreisförmige, spiralige Linie (Bewegungslinie), an die sich dann eine Technik, wie zum Beispiel Shihonage, Kotegaeshi anschließt. Dieses „Technik-Bild“ von einem Punkt, verbunden mit einer kreisförmigen Linie, möchte ich hier näher erläutern.
Mit Kuzushi soll die Angriffskraft eines Angreifers in eine andere Richtung gelenkt und abgeschwächt werden. Wenn die Angriffskraft nach oben gelenkt wird, nenne ich das beim Taido „Ukashi“ (s. Text in Kenjis Themen, http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen.php ). Wird die Kraft nach unten, bzw. schräg zur Seite nach unten gelenkt, nenne ich es weiterhin Kuzushi. Durch Kuzushi wird der Angreifer aus dem Gleichgewicht gebracht. Das bedeutet, dass der Körpermittelpunkt und Körperschwerpunkt nicht mehr in einem Punkt zusammenfallen. Aber wie kann ich das erreichen? Dieses Problem ist bei Schwert-, Stock- und Handtechniken gleich. Wenn der Angreifer nicht wirkungsvoll aus dem Gleichgewicht gebracht wird, hat er eine gute Möglichkeit seinen Körper wieder zurück in Balance zu bringen und weiter anzugreifen. Wenn man einen Angreifer aber exakt aus dem Gleichgewicht bringt, ergibt sich außerdem zwangsläufig daraus eine Atemi-Position.
Das möchte jetzt genauer erklären: Atemi entsteht wie der Schatten bei Sonnenschein. Wenn Sonnenstrahlen auf einen Gegenstand fallen, entsteht gleichzeitig ein Schattenwurf. So ist das auch bei Kuzushi und Atemi zu verstehen. Durch Kuzushi entsteht Atemi. Andersherum ist das aber nicht möglich. Durch Atemi (den Schatten) entsteht kein Kuzushi (fängt die Sonne nicht an zu scheinen), das heißt, der Partner wird nicht aus dem Gleichgewicht gebracht.
Natürlich wird während des Trainings Atemi nicht richtig ausgeführt, aber die Stellung, die Bereitschaft dafür sollte vorhanden sein.
Ich habe während des Trainings schon oft über Kuzushi gesprochen, besonders im Zusammenhang mit der Aufwärtsbewegung des Schwerts bei den Schlagübungen am Tategi (Tombo-Bewegung am senkrechten Holzstamm). Wenn ich die rechte Hand spiralig mit dem Schwert hoch hebe, bewegt sich automatisch die linke Hand mit. Ich habe das aber nicht beachtet und auch nicht auf Bewegungen und Techniken ohne Schwert übertragen.
Der Shinkage-ryu Schwertmeister Kamiizumi Ise-no-kami ist in Japan sehr berühmt. Seine Techniken werden bis heute noch in seiner traditionellen Form geübt. Er hat eine Schwertkata, Bewegungsabfolge entwickelt, bei der sich zwei Partner mit der „Waki-gamae" Position gegenüber stehen, beide mit dem linken Fuß vorne.
Der Angreifer schlägt nun in einem 45°-Winkel in Richtung Schulter des Verteidigers. Der Verteidiger startet, mit geringer Verzögerung, mit der gleichen Schlagbewegung. Doch sein Schlag geht nicht zur Schulter sondern zur Hand, zum Handgelenk. Dadurch bringt er den Angreifer zur Seite hin aus dem Gleichgewicht. Der Körper wird so aus der Achslinie gedrängt. Dadurch zeigt die Schwertspitze jetzt Richtung Kehle des Angreifers und befindet sich in einer „Atemi-Position“ – der „Schatten ist entstanden“. Das Schwert des Verteidigers könnte nun zur Kehle geführt werden.
Es ist ausschlaggebend für die Wirksamkeit, dass bei der Verteidigung das Schwert zum Handgelenk geht und nicht das Schwert des Angreifers kreuzt. Denn dann würde nur das Schwert des Angreifers aus der Achslinie gehen und nicht der Körper. Der Angreifer hätte weiterhin einen festen Stand und könnte wieder angreifen.
Ein Stoß aus der Atemi-Position ist aber nicht mehr notwendig, da der Partner durch die Position des Schwertes unter Kontrolle ist, er ist besiegt. Mit dieser Technik hat Ise-no-kami sein Ziel, einen Gegner zu besiegen ohne ihn zu verletzen, erreicht. Es ist eine „friedliche Budokunst“ entstanden.
Aus dieser Technik heraus hat sich Shinkage-ryu entwickelt, ebenso die Techniken mit bloßer Hand.
Ein weiterer wichtiger Punkt für den Verteidiger ist die Art und Weise, wie er sich bei der Abwehr nach vorne bewegt: für eine effektive Abwehr ist die Tsurigoshi-Haltung notwendig und dass man sich nicht vom Boden abdrückt, bzw. man „dem Boden nicht einen Tritt versetzt“ (s. Text Tsurigoshi).
Feb. 2022, Kenji Hayashi
Stock - Basis
Für mich beinhaltet der Stock zwei Bewegungen, die die Basis für alle anderen Stocktechniken sind:
Koi-Bewegung mit Stock Ai-Bewegung mit Stock
Koi – Anziehungskraft-Bewegung Ai – Fliehkraft-Bewegung
Der Stock an sich, ohne Bewegung, ist einfach ein lebloser Gegenstand. Aber wenn man den Stock in der Mitte fasst und kreisend, spiralig bewegt, wird er lebendig und die Stockspitze zeichnet eine liegende Acht ∞ . Und wie bei der Möbius-Schleife wird innen zu außen und außen zu innen.
Diese spiraligen Bewegungen nehmen die Angriffskraft von Stock oder Schwert des Partners auf und ziehen sie in die spiralige Schleife hinein. Wenn die Fußbewegung (Ashi-sabaki), die Handbewegung (Te-sabaki) und die Körperbewegung (Tai-sabaki) gut zusammen arbeiten, entsteht eine effektive Stock-Technik.
Die Haltung, die man dann einnimmt, beschreibt Tempu Nakamura folgendermaßen: Die Schultern sind locker, die Kraft wird nach unten in den Unterbauch gelegt, der Aftermuskel ist geschlossen.
Bei den Stocktechniken ist dazu noch wichtig: Der Solarplexus (Mizuochi) ist locker und leicht vertieft, die Kehle ist locker, so dass Luft entweichen kann und der Bauch ist dabei nach „oben gedreht“. Die Konzentration soll auf dem Ballen vom Großen Zeh liegen (Sokushin) und auf der Mitte der Handinnenseite. Von dort besteht jeweils eine Verbindung zur Körpermitte.
Dieser Körperzustand / -Haltung wird Dōzukuri genannt.
März 2021, Kenji Hayashi
Handhaltung bei der Tombo-Bewegung
Wie ich schon oft beim Training erklärt habe, ist bei den Techniken wie Shihonage, Ichi-no-te u.a., Ukashi und Kuzushi erforderlich.
Ich habe auch gezeigt, dass bei einem Angriff, die Tombo-Bewegung /-haltung des Arms und der Hand für die Ausführung einer Technik wesentlich ist. Dadurch lässt sich die Bewegung des Angreifers einfacher kontrollieren, wenn er zum Beispiel das Handgelenk fest umfasst oder es stark nach unten drückt oder zuschlägt.
Wenn zum Beispiel der Angreifer die rechte Hand umfasst, soll diese Hand in die Tombo-Position an das rechte Ohr gebracht werden, also die Hand von unten nach oben gebracht werden. Die Hand- und Fingerhaltung ist anders, wenn man dabei ein Schwert in der Hand hält. Ohne Schwert kann man sich vorstellen, dass man bei der Bewegung einen kleinen Ball in der Hand hält.
Auf Grund dieser Vorstellung werden die Finger nicht gestreckt, sondern sind leicht gebeugt und der Handteller ist nach innen gewölbt. Diese Haltung von Fingern und Hand ermöglicht eine bessere Beweglichkeit des Handgelenks und dadurch ist die Hand einfacher in die „Tombo-Position“ zu bringen.
Wie beschrieben, darf die Hand mit den Fingern nicht schlaff herunterhängen, sondern es soll Kraft und Ki bis zu den Fingerspitzen hin fließen.
Nur bei so einer Handhaltung während der Tombo-Bewegung ist es leicht möglich, Kuzushi und Ukashi auszuführen. Aber gleichzeitig muss die Körperhaltung aufrecht und grade sein.
Erklärung der Tombo-Haltung mit Schwert: http://www.taido-hannover.de/pages/tombo-haltung.php
Februar 2021, Kenji Hayashi
Gehen
In alten Texten und Büchern wird eine Schwertübung beschrieben, bei der sich die Meister, bzw. Samurai ca. 5 m von einem Tategi-Stamm entfernt aufgestellt haben, mit drei Schritten auf den Stamm zugegangen sind und dann gegen den Stamm geschlagen haben.
Ich habe das auch probiert, aber ich habe es nicht geschafft, mit nur drei Schritten die Entfernung zu überwinden. Es stellte sich mir die Frage, wie haben die Schwertmeister das geschafft? So fing ich an, mich mit „Gehen“ zu beschäftigen.
Jetzt in der Zeit des Lockdowns, wo wir unser Dojo schließen müssen, habe ich viel Zeit, so dass ich angefangen habe, jeden Tag im Dojo drei Stunden lang zu „gehen“. Das mache ich jetzt seit drei Monaten.
Zu Beginn habe ich mich wieder mit „Suriashi“ auseinandergesetzt, und dann „Das Buch der fünf Ringe“ von Miyamoto Musashi nochmals gelesen. Dort steht viel über „richtiges Gehen“.
(siehe auch Kenjis Themen: „Suriashi – das Gehen
http://www.taido-hannover.de/pages/kenjis-themen.php )
Musashi schreibt in seinem Buch: „Beim nach vorne Gehen soll man die Zehen anheben und sich fest mit den Fersen abdrücken.“ Darauf habe ich mich am Anfang meiner Laufübungen konzentriert und natürlich auch auf eine aufrechte Haltung und einen tiefliegenden Schwerpunkt.
Anfangs tat mir nach den drei Stunden hier und da etwas im Körper weh, zum Beispiel das Fußgelenk. Aber ich habe dann zwischendurch Sotaiho gemacht und dadurch die Verspannungen und Schmerzen gelöst. Nach circa einem Monat spürte ich, das sich meine Beine beim Gehen gut und stark anfühlten, da der Schwerpunkt tief und die Konzentration automatisch unten auf den Beinen und Füßen lag.
Jetzt hatte ich Freiraum und konnte meine Aufmerksamkeit auf die Atmung richten. Ich merkte, dass beim Gehen gleichzeitig eine Brust- und Bauchatmung stattfand. Dadurch habe ich mich an Tempu Nakamuras Beschreibung vom Pranayama-ho, eine Form der Yogaatmung, erinnert und darüber nachgelesen. Folgende Punkte sind dort aufgeführt:
1. den Aftermuskel schließen
2. Schwerpunkt und Kraft in den Unterbauch legen
3. die Schultern entspannen
Das ist die allgemeine Beschreibung für Atmung.
Aber für die Atmung beim Gehen hat Tempu Nakamura noch weitere Punkte hinzu gefügt:
4. den Kopf gerade halten
5. die Schultern nach hinten ziehen
Auf diese beiden Punkte hatte ich bisher nicht so geachtet.
Mir ist auch aufgefallen, dass Musashi im Grunde das gleiche beschreibt. Das von ihm beschriebene „Schultern locker halten“ habe ich falsch verstanden und die Schultern locker nur gelassen. Dann haben sie sind zwar nach unten gesenkt, aber sie sind außerdem gleichzeitig nach vorne gefallen – nicht nach hinten. Wenn man die Schultern bewusst senkt, gehen sie auch nach hinten. Das hat zur Folge, dass der Schwerpunkt nach unten sinkt und sich der Aftermuskel schließt. Das zeigt, alles steht in Verbindung miteinander, beeinflusst sich gegenseitig und ist wichtig für richtiges Gehen.
Das haben schon die alten Meister und Samurai, wie Miyamoto Musashi oder Tempu Nakamura, erkannt.
Tempu Nakamura hat außerdem für das Gehen einen Atmungrhuthmus beschrieben:
während fünf Schritten einatmen und dann fünf Schritte lang ausatmen.
Wenn dieser Rhythmus leicht zu bewältigen ist, dann kann man ihn verlängern:
acht Schritte lang einatmen, zwei Schritte lang Atem halten, acht Schritte lang ausatmen.
Bei der Übung bemerkte ich dann, dass mir diese Form der Atmung beim Gehen nicht schwer fiel. Aber vielleicht ist das auch darauf zurückzuführen, dass ich beim Gehen den Bereich des Sonnengeflechts, den Solarplexus, locker halte (Mizuochi otosu), besonders nach der Einatmung. Wenn man die Schultern nach hinten zieht und nicht darauf achtet den Solarplexus locker zu halten, dann verspannt sich die Brust. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Diese Erkenntnis von Zusammenhang und Verbindungen im ganzen Körper und die Auswirkung von einer Bewegung / Haltung auf den ganzen Körper findet sich auch in den Sotaiho-Prinzipien von Dr. Hashimoto wieder und ist Basis seiner Methode.
Wichtig ist, nicht nur einen Aspekt zu betrachten, also sich auf nur eine Anweisung zu konzentrieren, dann kann es quälend und anstrengend werden. Man muss alles zusammen sehen und auch gleichzeitig in der Praxis üben und erfahren, um es richtig zu verstehen.
Das Prinzip des Gehens ist Basis in unserem Leben und für alle Bewegungen.
Januar 2021, Kenji Hayash
Ukashi-waza
Taido-Techniken mit Ukashi
Im letzten Text habe ich ausführlich über „Mugen no furi“, die unendliche Achtbewegung, geschrieben. (s. auch Video
http://youtu.be/qOHczgP-S74
https://youtu.be/33Uy6McAs3M )
Diese Spiralbewegung ist die Basis für Ukashi. Ukashi bedeutet, dass ich meinen Partner aus dem Gleichgewicht bringe, indem ich seine Stoß-/ Schlagrichtung verändere und seinen Schwerpunkt nach oben, zum “Schweben“ = „ukashi“ bringe.
Diese Technik findet man auch im Kenjitsu oder Jujitsu, sie ist wesentlich für die Wirksamkeit. Ich denke, beim Daito-ryu Aikijujutsu meint Takeda Sokaku „Ukashi“ wenn er in seinen Büchern von „Aikyokakeru-waza“ spricht. Aber Aikyokakeru-waza war eine Geheimtechnik und wurde nicht unterrichtet. Das hatte zur Folge, dass viele diese Geheimtechnik erforschen und lernen wollten. Ich war einer davon. Nur darüber zu lesen fand ich sehr unbefriedigend.
Beim Tategi-uchi – beim Schlagen gegen den senkrechten Stamm – stellte sich für mich die Frage, woher bekomme ich Kraft für einen effektiven Schlag gegen den Stamm, bzw. wodurch kann ich mein Schwert leicht und ohne Kraftaufwand heben. Das Schlagen am Tategi war anders als das normale Schlagen mit dem Schwert. Mir wurde bewusst, dass in den Schlagbewegungen am Tategi immer eine Spirale enthalten ist. Sowohl beim Heben als auch beim Senken der Schwerts.
Ich habe dann diese spiralige Bewegung ohne Schwert, nur mit der bloßen Hand geübt und dann diese Bewegung in meine Taido-Techniken eingebracht. Das war anfangs nicht so einfach und erforderte einiges Umdenken. Aber ich habe dann gemerkt, dass bei vielen Techniken, bei denen ich vorher oft Kraft eingesetzt habe, um sie durchzuführen, das jetzt nicht mehr notwendig war. Und ich spüre, wenn man die Techniken mit dieser speziellen Spirale – also mit Ukashi – durchführt, dass man sie dann auch noch mit 80 Jahren problemlos ausüben kann.
Dieses Ukashi, über das ich jetzt schreibe, ist für mich etwas, das man üben, fühlen, selbst erfahren und erforschen muss, um es richtig zu verstehen und anwenden zu können. Zum besseren Verständnis und um es so gut wie möglich zu zeigen, habe ich die folgenden Videos aufgenommen.
Mai 2020, Kenji Hayashi
Mugen no furi - unendliche Achtbewegung
Wenn man einen sich schnell drehenden Gegenstand, zum Beispiel einen Kreisel, mit einem anderen Gegenstand berührt, dann kann dieser andere Gegenstand weggeschleudert oder in die Drehung hinein gezogen werden.
Damit ein Gegenstand auch wirklich starke Flieh- und Anziehungskräfte entwickeln kann, ist es wichtig, dass der sich drehende Gegenstand eine klare, in der gleichen Position verharrende Mittelachse hat. Ansonsten würde er „herumeiern“, was wir von einem Kinderkreisel her kennen.
Im Alter von 47 Jahren wurde mir diese Mittelachse im Körper sehr bewusst. Wie vorher schon mehrmals beschrieben, habe ich drei Jahre lang jeden Tag sehr viel mit der Eisenstange geübt. Während der Übungen spürte ich intensiv meinen Körpermittelpunkt und ebenso meine Mittelachse in der Bewegung. Es fühlte sich für mich wie ein „Eins werden mit der Natur“ an, wie eine Erleuchtung, wie es auch im Buddhismus / Zen beschrieben wird.
Aus diesen Erfahrungen heraus habe ich Taido entwickelt, um meine Vorstellungen, Ideen und Erfahrungen in eigene, veränderte, neue Budo-Techniken umzusetzen. Aber ich stand jetzt vor dem Problem, wie ich meine Erfahrungen von Schwerpunkt und Mittelachse in die Techniken einfließen lassen sollte. Darum habe ich vor zwölf Jahren mit Schlagübungen gegen einen Holzstamm, den Tategi, angefangen. Die Erkenntnisse daraus haben mir einen klaren Weg aufgezeigt. Während der vielen Übungen wurde mir eine in den Schlagbewegungen inne liegende Spirale bewusst. Aus einer Hebe- und Senkbewegung mit dieser Spirale ergibt sich eine unendliche Achtspirale.
Diese spiralige Acht finde ich auch in vielen anderen Dingen wieder. Und ich finde sie bei Bewegungen mit dem Schwert, mit dem Stock und mit der bloßen Hand. Es ist nicht nötig, gegen einen Stamm zu schlagen, man kann diese Bewegung auch sehr gut mit der bloßen Hand zu Hause allein trainieren. Das möchte ich euch in den Videos zeigen.
Mugen no furi – unendliche Achtbewegung im Stehen und Gehen
https://youtu.be/33Uy6McAs3M
Erklärung zur Handhaltung und zur Fußbewegung bei der Achtbewegung
https://youtu.be/qOHczgP-S74
Mai 2020, Kenji Hayashi
Gedanken im Garten
Dort wo eine große Pflanzenvielfalt vorhanden ist, ist auch eine große Tiervielfalt zu finden. Das lässt sich auch auf den Boden (im Garten) übertragen. Sind im Boden viele Mikroorganismen enthalten, dann sind der Pflanzenreichtum und das Wachstum groß. Auch sind im Boden viele Kleinstlebewesen zu finden, die in einem lebendigen Gleichgewicht stehen. Aber wenn dieses Gleichgewicht gestört ist / wird, dann nimmt die Vielfalt ab.
In meinem Garten benutze ich keine chemischen Dünger und setze auch keine Herbizide oder Insektizide ein. Im Laufe der Zeit (ich habe den Garten jetzt seit über 20 Jahren) hat sich der ehemals sehr sandige und karge Boden in einen nährstoffreichen Mutterboden verwandelt, in dem viele Pflanzen gedeihen. Es wachsen aber auch viele Unkräuter, die ich zum Teil herausreiße oder mit dem Spaten unterarbeite, um Platz für meine Samen und Pflanzen zu bekommen.
Die Wurzeln dieser unerwünschten Kräuter wachsen in die Tiefe und Breite, aber ich kann diese Pflanzen meist leicht herausziehen. Das zeigt mir, dass der Boden weich und locker ist. Ich denke, dass bei meinem Gartenboden eine gute Durchlüftung* vorhanden ist. Diese wirkt sich wiederum positiv auf die Bodenaktivität aus. Das heißt also, wenn der Boden hart und fest ist, ist es notwendig ihn zu lockern und zu belüften.
Für mich liegt es nahe, einen Vergleich zum menschlichen Körper zu ziehen. Wenn der Körper hart und steif ist, dann ist auch der Gasaustausch erschwert (keine gute Durchlüftung vorhanden), also der Sauerstoffgehalt gering. Ebenso sind bei einem harten Körper die Durchblutung und auch der Ki-Energie-Fluss gehemmt.
In dem lockeren, weichen Boden gedeihen die Samen und Pflanzen, die ich dort hineinsetze gut. Falls ich aber chemischen Dünger oder Unkrautvernichter einsetzen würde, würde ich das Gleichgewicht stören, mit verschiedenen negativen Folgen. Zum Beispiel könnten die Mikroben absterben und damit der Boden verarmen. Ich möchte aber, dass mein Garten eine natürliche Vielfalt aufweist.
Die gleichen Gedankengänge sind für mich auch beim Taido gültig. Für mich ist es elementar, meinen Angreifer / Partner nicht mit Gewalt und Kraft (Unkrautvernichter) zu etwas zu zwingen oder gar ihn zu verletzen. Dann sind Techniken nicht mehr natürlich und im Gleichgewicht. Für mich ist eine Technik „lebendig und natürlich“, wenn ich Ukashi und Kuzushi einsetzte, so dass ich dem Partner keine Schmerzen zufüge bzw. die Technik nicht mit Gewalt durchsetze. Ich möchte den Partner in eine positive Richtung führen – mit spiraligen, achtförmigen Bewegungsformen, die ich auch in der Natur finde.
Das Gemüse, das ich aus meinem Garten ernte und esse ist ein besonderer Genuss und vermittelt mir ein gutes Gefühl. So ein Gefühl möchte ich auch meinem Angreifer / Partner zukommen lassen.
Mai 2020, Kenji Hayashi
* https://hypersoil.uni-muenster.de/0/03/05.htm: Zwischen Bodenluft und Atmosphäre findet ein permanenter Gasaustausch statt, den man auch als " Bodenatmung" bezeichnet.